Samstag, 1. Oktober 2016

Die Tuk Tuk Patrol


Was lange währt, wird endlich gut.
Mit diesem Satz, geneigte Leserschaft, möchte ich mich für die lange Pause entschuldigen, mit der ich den einen oder anderen von euch auf die Folter gespannt habe.
Ob die nächste Geschichte gut wird, könnt natürlich nur ihr beurteilen... aber habe ich euch jemals enttäuscht?
Es war zugegeben recht schwierig, mich nach meinem abgeschlossenem Studium (hust, lach, kicher) wieder standesgemäß in Deutschland einzufinden. Aber nachdem das gewünschte Maß an Faulheit erreicht war, und all die Pflichten unerfüllt, dachte ich wäre es nun an der Zeit mit meinen außergewöhnlichen Geschichten fortzufahren.
Ich möchte mich an dieser Stelle noch bei jedem derjenigen bedanken, die meine darnieder geschriebenen Worte als wertvoll schätzen. Ihr seid auch Schätze. Deshalb:
Prost ihr Schätze!
Prost du Schatz!
Wo das alles geklärt wäre, will ich auch gar keine weitere Zeit verlieren, sondern direkt durchstarten.

Ich war also noch Gärtner. Ich kann zwar kaum eine Buche von einer Eiche unterscheiden, aber für die dortigen Verhältnisse hat es wohl gereicht. Schließlich bestanden meine Aufgaben meist aus dem Fällen von Bäumen und nicht dem Anpflanzen.
Wie dem auch sei, der Zaun aus Bambus stand und wackelte, das Gras wurde gemäht und die Schlangen verzogen sich so langsam aus meiner neuen Hood. Bilder meines Fleißes wurden ja im letzten Beitrag bereits gezeigt.
Das Jahr neigte sich so langsam dem Ende zu, und die Regenzeit machte Platz für etwas Kälte.
Hääää?? Kälte in Thailand??
Nachts 10 Grad, also wie ein Sommer in Hamburg, Digga!
Das Gelände der Organisation, für die ich arbeitete, veränderte sich, und so auch ich. Mehr und mehr gewöhnte ich mich an die Umstände, die Arbeit, sowie die Leute die mit mir eingesperrt waren.
Es verging die Zeit und als der Februar kam kam auch die nächste Aufgabe, die ich zu bewältigen hatte. Eine Reise nach Vietnam.
Wie ihr ja alle noch wisst, bin ich über das deutsche Programm namens "Weltwärts" nach Thailand gereist. Natürlich funktionierte das alles aber nicht ohne Bedingungen.
Da gab es ein Vorbereitungsseminar, ein Zwischenseminar und ein Abschlussseminar mit drei S.
Ersteres hatte ich natürlich vor Antritt meiner Reise absolviert, doch nun stand für mich das Zwischenseminar an. In diesem wurden alle Weltwärts-tätigen Asiens nach Vietnam gerufen, um dort über ihre bisherigen Erfahrungen zu berichten, mehr zu lernen und vor allem Bier zu trinken.

Ich war natürlich hocherfreut über den Termin und den Ort, denn bezahlten Urlaub in Vietnam zu machen, ist natürlich allseits ein tolles Ding.
Stattfinden sollte das ganze in Hua Bing (oder so ähnlich), ein Dorf ca. zwei Stunden entfernt von der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi.
Nach unkomplizierter Absprache mit den Verantwortlichen habe ich natürlich treu und brav den Flug gebucht (auf Weltwärts Kosten), und mich mehr oder weniger auf die Reise vorbereitet.
Visum unbedingt im Internet schon anmelden. Am Flughafen Nein Nein. Geht nicht!
Naja und wer mich kennt, der kennt mich. Meine Anmeldung verlief wohl eher... wie sagt man im Fachjargon? schlampig?... aber dazu später mehr.

Es war also an der Zeit aufzubrechen. Eine knapp zehnstündige Fahrt nach Bangkok erwartete mich, mit einem Aufenthalt von ca. sieben Stunden, bevor der Flug ging.
Oder gehen sollte.
Ich stieg also voller Elan in den Bus, im T-Shirt und mit Flip Flips an den Füßen, knapselte mir meine Kopfhörer in die Ohrmuscheln und erfreute mich an der schönen Landschaft, von der man bei einer Nachtfahrt eh nichts sehen konnte.
Der Bus war natürlich der billigste den ich kriegen konnte, mein Budget selbstverständlich bis auf den letzten Baht angepasst um in Hanoi anzukommen, an dessen Flughafen ich mich mit all den anderen Seminarteilnehmern treffen sollte. Von dort an wurden eh alle Kosten übernommen.
Hihi, huhu, hehe....
Nach einer schuakeligen aber dennoch reibungslosen Fahrt kam ich dann letztendlich in Bangkok an.
Nichts wissend und fröhlich pfeiffend wimmelte ich umher, während ein Taxifahrer nach dem anderen ganz erpicht darauf war mich von der Busstation irgendwo hinzubringen. Ich fühlte mich blendend, denn irgendwie wollten mir alle Fahrer "Sonderpreise" machen. Nur für mich? Boah, da ist mir mein Ruf mal wieder voraus geeilt... hätte ein naiver Mensch gedacht.
Ich war mir der Sache natürlich bewusst, und hab mir den billigsten Preis ergaunert, den man für eine Fahrt in die KhaoSan Road bezahlen konnte. Da es noch am frühen morgen war, kamen wir erstaunlich gut durch (nicht, dass ich das an diesem Zeitpunkt schon gewusst hätte) und nach etwa 30 Minuten erreichte ich mein Ziel. Warum KhaoSan Road? Nun, ich hatte natürlich schon davon gehört, und mit weiteren sieben Stunden Zeit im Nacken erschien mir das zunächst eine gute Idee zu sein.

KhaoSan Road bei Tag ( zu einem späteren Zeitpunkt meines Lebens)


Mit meinem Koffer bepackt kam ich also an und wuselte mich durch eine der wohl bekanntesten Gassen der Welt. Besoffene Touries lagen auf der Straße, Ratten liefen auf der Straße und ein obdachloser Einheimischer pinkelte auf die - ihr habt es erraten - Klobrille.
Da war ich nun, inmitten der Menschen, von denen ich noch oft genug einer werden würde (gleicher Ort, anderer Zeitpunkt) und setzte mich auf den Bordstein.
Und nun?
Naja, erstmal sitzen.
Und ich saß.
Wie verbrachte man sieben Stunden Wartezeit, ohne einen einzigen Pfennig in der Tasche?
Ich konnte mich nirgendwo hinein setzen und etwas trinken. Konnte mir kein schäbiges Zimmer mieten um mich von der Fahrt auszuruhen. Eine Sightseeing-Tour kam auch nicht in Frage.
So erhob ich mich und dachte mir:
Du kannst dir auch mit Laufen die Zeit vertreiben. Dann siehst du vielleicht das ein oder andere.
Ich verließ die KhaoSan Road, passierte diesen großen Wendekreis mit diesem komischen Monument und lief einfach so, wie es mir passte.
Nach ungefähr fünf Minuten war ich außer Puste, lief aber bestimmt noch weitere zehn und kam letztendlich an, an einer der wohl bekanntesten Tempelanlagen Thailands. Nein, DIE bekannteste Tempelanlage - der Wat Phra Keaw. Für den hatte ich natürlich keinen Eintritt, und ich habe ihn auch bis heute nicht von innen gesehen.
Ich verweilte dort eine Weile, rauchte und schaute mich um, bis ein Tuk Tuk Fahrer zu mir gelatscht kam. Voller Inbrunst fragte er mich die Frage aller Fragen:
"Tuk Tuk?"
Ich verneinte mit all dem Thai, was ich bis dato gelernt hatte und erklärte dem Fahrer freundlich, dass ich nicht mal Geld für ein Zimmer hatte, um mich auszuruhen.
"Kein Geld?"
Er erzählte mir etwas, dass ich nicht verstand und teilte mir mit, doch bitte an Ort und Stelle zu warten. Ich tat wie mir geheißen, und nach einigen Augenblicken kehrte er zu mir zurück - mit einem zweiten Tuk Tuk Fahrer im Gepäck.
Dieser musterte mich und kam wohl schnell zu dem Entschluss, dass ich wirklich keine Scheine in der Tasche hatte.
Dann fielen die Worte, die tatsächlich mein Interesse weckten.
"Wanna make money?" (zu deutsch: willst du'n bisschen money maken?)
Selbstverständlich wollte ich das.
Ja, wirklich.
Mit einem Dollarzeichen in den Augen nickte ich ihm zu und er erzählte mir von dem Plan, von dem ich eh kein Wort verstand, beziehungsweise nur Bruchstücke.
Es war etwas von einer gratis Fahrt und dem Teilen von Geld im Gespräch, und beides klang für mich gleichermaßen interesting (zu deutsch: interessant).
Ich stieg mit meinem Koffer bepackt bei dem Herren ins Tuk Tuk und ließ mich treiben von einer Welle der Euphorie und Ahnungslosigkeit. Wir fuhren etwas durch die Gegend und ich genoss gerade den Fahrtwind, als er auch schon in eine Gasse fuhr und vor einem Anzugladen hielt.
"Du gehst da rein. Mindestens fünf Minuten. Kommst wieder. Geld".
Ich weiß nicht ob es die exakten Worte des Mannes waren, der mich durch Bangkok chauffierte, aber was hatte ich schon zu verlieren? Geld jedenfalls nicht. Mein Leben? Vielleicht. Aber das eine macht ja ohne das andere eh keinen Spaß.
Ich betrat also den Anzugladen und wurde prompt persönlich von einem Pakistani (oder auch Nepalesen) empfangen.
Dann wurde ich aufgefordert mich zu setzen, vor mir ein Tisch vollgepackt mit Magazinen in denen die feinsten Anzüge von BOSS, PRADA, GUCCI etc zu sehen waren. An den Wänden hingen diverse Stoffe und verliehen dem Geschäft eine seriöse Aura. Der Anzugmacher setzte sich mir gegenüber und schaute mir in die Augen.
"Also, was für eine Art Anzug willst du denn?" fragte er in freundlichem Ton.
Fünf Minuten, rief ich mir ins Gedächtnis und ließ mir beim Antworten gehörig Zeit.
"Ich würde mir gerne die Magazine ansehen, und mich für ein Modell entscheiden", sagte ich und griff nach einem, dass direkt vor meiner Nase lag.
Jedes Modell bei dem ich kurz innehielt, wurde von ein paar erklärenden Worten des Pakistani (oder auch Nepalesen) begleitet. Als ich das Gefühl hatte, die Zeit abgesessen zu haben, deutete ich auf einen Anzug, der mir besonders gefiel.
"Der hier ist ganz nett", sagte ich und zeigte mit einem schwitzigen Finger auf die aufgeschlagene Seite.
"Welchen Stoff hättest du gern? Hohe Qualität, Mittelteuer, bla bla und bla bla."
Er holte mehrere Stoffe in verschiedenen Farben an den Tisch und ließ mich auch diese mit meinen schwitzigen Fingern betatschen.
"Der ist gut", sagte ich mit dem Versuch meine Gleichgültigkeit zu verbergen und suchte mir einen aus, der mir eh nicht gefiel. War ja im Endeffekt auch egal.
"Dann komm mit zum Vermessen, der Anzug kostet bla bla und bla und bla bla bla bla."
"Bla", entgegnete ich und der Anzugmacher wurde grimmig.
Es ging um das Thema vorab Bezahlung.
Ich erklärte dem Mann freundlich, dass ich kein Bargeld dabei hätte, um den Anzug jetzt gleich zu bezahlen, aber das wollte der gar nicht gern hören.
"Draußen vor der Tür ist ein ATM", sagte er während die Freundlichkeit aus seinem Gesicht schwand und meine Finger schwitziger und schwitziger wurden.
"Ich hab leider nur Bargeld im Hotel, magst du mir nicht deine Karte geben? Ich komm dann später noch mal wieder..."
Auch das wollte er nicht hören.
Unfreundlich entließ er mich aus dem Laden und ich lief zurück zu meinem Tuk Tuk samt Fahrer. Nachdem ich zugestiegen war bog er um eine Ecke, hielt, und drückte mir 50 Baht in die Hand.
Badoooom machte es in meinem kopf, und ich konnte die Idee hinter all dem verstehen. Der Fahrer bekam für jeden potenziellen Kunden eine Provision von 100 Baht bar auf die Kralle bezahlt, solange sich dieser nur lang genug im Laden aufhielt, um auch als ein solcher zu wirken.
Dankend nahm ich das Geld an und wir machten uns auf zum nächsten Geschäft, um auch dieses abzuzocken. Wir waren ein Team und spielten zwar nicht ganz regelkonform, aber wen störte das schon?
Tja, wer andern eine Grube gräbt, der hat ein Grubengrabgerät.
Wir taten ja schlussendlich nichts anderes, als die Abzocker abzuzocken. So eine Art moderner Robin Hood war ich, Roger Hood vielleicht, nur dass ich den Ertrag natürlich in die eigenen Taschen steckte.
Wir drehten unsere Runden, zockten Juweliere, weitere Anzugmacher und Reisebüros ab.
Ich muss jedoch gestehen, dass ich mich zunehmend unwohler bei der Sache fühlte. Es war nicht mein Gewissen, sondern eher die Tatsache, dass sich unsere kleine Vereinigung von Roger Hood und Bruder Tuk Tuk rumsprechen könnte. So entschied ich für mich selbst, dass es an der Zeit war, meinen Business-Plan aufzugeben und in den Ruhestand zu gehen.
"More more!" (zu deutsch: Möhre, Möhre!) drängte der gierige Fahrer, aber mir waren die 300 Baht genug. Ich war glücklich und zufrieden und verkündete dem Fahrer daraufhin meinen Rücktritt.
Er sah ein, dass es keinen Zweck hatte mich weiter zu überzeugen und stimmte zu. Schließlich hatte Bruder Tuk Tuk sich ja auch den ein oder anderen Baht durch unsere Aktion verdient.
(Ich vermute er hat mir sogar jeweils weniger als die Hälfte ausgezahlt, aber was soll's).
Wir fuhren noch ein kleines Stück durch die mittlerweile vollen Straßen Bangkoks ehe er an einem kleinen Restaurant anhielt und sein Tuk Tuk parkte.
"Ich lad dich auf ein Bier ein" sagte der Fahrer und lächelte. Und das tat er auch. Also das mit dem Einladen meine ich. Aber gelächelt hat er auch.
Wir tranken jeweils ein großes Leo Bier und ich genoss jeden Moment. Das war also Bangkok, die Stadt in die man als Fremder kam und die dort lebenden Abzocker abzockte.
Eigentlich ein ziemlich witziger Gedanke, findet ihr nicht? Man könnte fast meinen diese Geschichte wäre.. ääähm... außergewöhnlich?
Anschließend fuhr er mich zurück in die KhaoSan Road und wir verabschiedeten uns tränenreich von einander.
Von diesem Zeitpunkt an waren da immer noch ein paar Stunden, die es totzuschlagen galt, bevor ich zum Flughafen musste, also entschied ich mich dafür ein 200 Baht Zimmer zu nehmen (bestehend aus einem Bett und einem Ventilator) und legte mich hin.
Als der Wecker klingelte sprang ich flugs auf und suchte mir leichten Schrittes ein Taxi, dass mich zum Flughafen bringen konnte.
Das war auch alles kein Problem, und als ich so auf dem Beifahrersitz saß stieg in mir die Vorfreude auf Vietnam auf. Etwa 17 Stunden war ich unterwegs gewesen, zwei weitere Stunden am Flughafen würden folgen. Aber das war ok, das gröbste war geschafft.
Dachte ich.
Zeit für den Check-In.
Pünktlich.
Kein Problem.
Koffer liegt auf dem Gepäckband.
Frau checkt meinen Reisepass.
Top.
"Haben Sie denn die Bestätigung für Ihr bezahltes Online-Visum dabei?"
Schock.

Da stand ich nun, nach all der Zeit, die mir fast wie eine Reise zum Schicksalsberg vorkam und konnte das Flugzeug nicht boarden (zu deutsch: brettern), weil ich doch tatsächlich zu dumm gewesen war, mich um das Visum zu kümmern. Triefend vor Schweiß und ohne zu wissen, was ich mit mir anfangen sollte, verließ ich erst mal ganz klein den Check-In Bereich und überlegte, was das wohl für Konsequenzen haben würde.
Aber auf diese Geschichte mit ihren Konsequenzen müsst ihr alle noch warten, denn für heute habe ich mein Maß an Kreativität erschöpft. Also nicht, weil ich mir diese Geschichten ausdenke, die sind schon so passiert! Aber ihr wisst ja, was ich meine. Irgendwie müssen die ja auch mit Liebe und ein paar Rechtschreibfehlern hingeklatscht werden.
Deshalb endet diese heutige Geschichte mit einem Cliffhanger, oder wie mein Vater zu sagen pflegt, mit einem Hangover.

Also, bis zum nächsten Mal!

p.s.: Entschuldigt die Armut an Bildern, aber meine Kamera, auf der sämtliche Bilder bis zu diesem Zeitpunkt gespeichert waren, wurde in Vietnam geklaut. Doch dazu mehr beim nächsten mal ;)




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen