Samstag, 22. Oktober 2016

Jeffersons Reise um die Welt


Halt. Stop. Zwischenmeldung.
Im Laufe meiner Karriere als Karrieremann, oder aber auch Carriereteur, wie es fortan genannt wird, habe ich schon einiges vergessen. Das sind meist ganz banale Dinge, so wie:
Was gab es zum Frühstück? Wo ist Baby's Belly Button? Wie bin ich nach Hause gekommen? Und etliche weitere Fragen, die auf ewig unbeantwortet bleiben sollen.
Aber hier, im Blog, gefangen im Wahn, meine Erzählungen dem Leser nahe zu bringen, damit dieser etwas mehr Verständnis für meinen absolut absurden Lebensstil hegt, habe ich im chronologischen Ablauf meiner Geschichten einen essentiellen Schnitzer gemacht. Ich habe eine Geschichte vergessen, die nicht in Vergessenheit hätte geraten dürfen.
Aber es dennoch tat.
Aus diesem Grunde wird sie nun erzählt, ohne wenn und aber, denn sie ist es wert.
Dennis ist es wert.
Dennis, und die zwei Dollar.
Wir machen einen Sprung zurück als wäre nichts geschehen, ok?
Ok.

Ich schließe die Augen, hinter den Lidern zuckt es unaufhörlich, und ich fühle mich in der Zeit zurück versetzt. Die Erinnerungen brodeln auf, und es fühlt sich so an, als wären mir all die Dinge erst vor 6 Jahren passiert.

Wir befinden uns irgendwo im Dezember des Jahres 2010.
...
...
...
Zzzzzzzzzzpppp!

So.
Ich war Gärtner. Aber ich war auch Lehrer. Zumindest am Wochenende.
Es war die Zeit, in der ich der Meinung war, endlich meinen Platz gefunden zu haben. Nicht nur den an der Bar, sondern auch in den Herzen derjenigen, die allmählich zur zweiten Familie heranwuchsen.
Auch mein Aufgabenspektrum wuchs, und so gehörte es mittlerweile dazu, neue freiwillige Helfer einzuweisen, und ihnen die Grundbausteine und das Fundament der Organisation anhand von LEGO zu erklären.
Wie dem auch sei, neue Menschen kamen und gingen, hinterließen positive und auch negative Eindrücke, manche langwierig, manche kurzweilig.
Manche waren nett.
Manche waren scheiße.
Manche wurden Freunde.
Manche blieben Freunde.

Heute soll es um einen Mann namens Dennis gehen.
Kennt ihr das Gefühl, wenn man jemanden neu kennenlernt, aber sich auf Anhieb so fühlt, als wäre man schon ewig mit dieser Person befreundet?
Er war einer von diesen Menschen. Mit einem Aufenthalt von nur zwei Wochen, war Dennis tatsächlich jemand, mit dem ich vergleichsweise wenig Zeit verbrachte, aber das hat uns freilich nicht daran gehindert, das Beste draus zu machen.
Da kam er also an, der neue Freiwillige. Amerikaner, braun gebrannt, mittellanges Haar, ein richtiger G-Boy aus San Diego ('Murica), Ende dreißig. Ein Mann, der sein Leben lebte wie er wollte, ungebunden und frei, für den feste Beziehungen und Kinder Schimpfwörter waren, einer, der durch die Welt reiste, wie es ihm passte und sich aus irgendwelchen Gründen dazu entschied, in unserem Dorf Halt zu machen.
Es war ein Tag wie jeder andere auch, heiß, stickig, ein bisschen kratzig, aber auch schmatzig.
Die männliche Fraktion in der Organisation war stets unterbesetzt gewesen (was natürlich irgendwie dem Leitmotiv und der Agenda entsprach, nach der sie sich richtete) und so war jedes bisschen Abwechslung sehr willkommen.
Dennis kam in friedlicher Absicht, war kein Weltverbesserer, aber auch kein Mensch schlechter Natur. Er wollte sich einsetzen für etwas, von dem er keine Ahnung hatte, und das machte ihn sofort sympathisch. Schließlich war ich aus denselben Gründen dort gelandet.
Was willst'n da machen in Thailand? Wo gehst du da hin?
Das werd' ich doch sehen, wenn ich da bin.
Eine der Einstellungen, die mich zu Anfangs nicht sehr beliebt gemacht hatten.
Naja, lange Nase, kurzes Kinn.
Wir haben uns auf Anhieb verstanden, gingen täglich gemeinsam in die Bar, machten uns über andere lustig und lachten eine ganze Menge, am meisten dann, wenn wir uns vor unseren Pflichten drückten.
Wir arbeiteten gemeinsam als Gärtner und Lehrer, machten ein Mädchen nach dem anderen zu Englisch Profis und waren recht schnell als Duo im Dorf bekannt.
An einem dieser glorreichen Tage, die wir gemeinsam verbrachten, kamen wir dann auf eine Idee: Wie wäre es, wenn wir am letzten Wochenende gemeinsam nach Pai fahren, um einen legendären Abschied zu feiern.
Brilliant.
Ich hatte bis dato noch keinen Urlaub gemacht (und beim allmächtigen Zeus, den hatte ich mir auch nicht verdient), war aber sofort Feuer und Flamme für die Idee. Endlich mal raus, ein bisschen was erleben, und die andere Seite der Berge sehen - das klang nach einem Abenteuer.
Schleunigst bat ich bei den Führern der Herde um Erlaubnis, welche mir nicht viel später bewilligt wurde. Und somit war der Plan dann in Stein gemeißelt. Große Ereignisse warfen ihre Schatten voraus.
Zum Glück hatte ich das Mopedfahren in den vorherigen zwei Monaten gelernt, sodass ich mich sicher fühlen konnte, eine drei-stündige Fahrt durch Berge und Todesschluchten und mit Kettensägen an den Straßenschildern und Lava auf den Straßen und Apache-Helikoptern mit Raketen und Maschinenpistolen, zu überstehen.
In Flip Flops.

Wir fingen also an Vorbereitungen zu treffen.
In der Stadt mieteten wir uns für lächerliche Preise Motorroller, packten die Tasche fürs Wochenende und besorgten ein, zwei, acht Wegbiere für die Fahrt.
Die Geldbörsen wurden gefüllt für den Trip und es muss dieser Moment gewesen sein, als ich auf einen ganz besonderen Schein aufmerksam wurde.

++ Warnung, schlechter Übergang++

"Das ist aber kein normaler Dollar-Schein, oder?"fragte ich und schmulte mit einem Auge in Dennis' Portemonnaie.
Er holte den Schein hervor und zeigte ihn mir. Es war ein Zwei-Dollar-Schein, mittig prankte das Gesicht von Thomas Jefferson. Das hat mir Google verraten.
Und ja, die gibt es wirklich, sind aber recht selten.
"Der ist nicht echt, oder?", fragte ich.
"Doch doch, ist ein Zwei-Dollar-Schein. Sieht man so gut wie nie, aber auf Nachfrage hin bekommt man die noch bei der Bank. Das ist so etwas wie ein Glücksschein für mich. Trag ihn schon ewig bei mir."
Dieser Schein machte auf mich einen so besonderen Eindruck, dass er tatsächlich eine Idee in mir weckte. Und nein, es hatte nichts mit Diebstahl zu tun - die Idee war anderer Natur.
Ich sah schließlich so viele Menschen aus aller Herren Länder, die uns in unserer Organisation besuchten, nicht nur von allen Kontinenten, sondern auch allen Kulturen und aus allen Winkeln dieser Erde, dass ich mich dazu entschied, meine Treffen mit den Leuten aus aller Welt zu dokumentieren, indem ich anfing, kleine Souvenirs zu sammeln. Mit Souvenirs meine ich Geldscheine.
Und bei Dennis würde ich anfangen.
"Der Schein ist schön, hast du vielleicht einen weiteren, den du mir als Andenken hierlassen kannst?" fragte ich.
"Also den hier kann ich dir leider nicht geben", antwortete er und steckte den Zwei-Dollar-Schein flugs wieder ein.
Verdammt!
"Aber", begann er und holte einen gewöhnlichen Dollar-Schein aus der Geldbörse, "den hier kann ich dir überlassen."
Natürlich verstand ich, dass er mir den Zwei-Dollar-Schein für meine Sammlung nicht überlassen konnte. Es war sein Glücksschein, und das war in Ordnung - ich freute mich über den Dollar, den er mir gab und packte ihn stolz weg.
Der erste Schritt war getan, der andere Schein wurde vergessen.
Als der Freitag kam, und die letzte Unerrichtsstunde am späteren Nachmittag gegeben wurde (King Kong und Surfen waren das Thema....?) sattelten wir dann unsere Metallesel und folgten unseren inneren Instinkten, die uns gehörig fehlleiteten, sodass wir am Ende die Karte zu Rate ziehen mussten.



                                


                                                              Die hohe Schule.


                                


                                        Unsere Mopeds und wir. Abreise aus unserem Dorf.


                                 





Und wie sagt man doch so schön: Manchmal ist der Weg das Ziel.

Nach etwa der Hälfte der Fahrt kamen wir zu einem Checkpoint mitten in den Bergen, an dem wir uns dazu entschieden, etwas zu rasten, immerhin tut einem der Arsch gehörig weh, wenn man länger auf einem Sitz sitzt, der sich während der Fahrt in Holz zu verwandeln scheint.
Wir aßen Nudelsuppe, vielleicht aber auch Reis, und gingen in einen der kleinen Shops, um ein weiteres klitzekleines Wegbierchen zu besorgen.
Plopps, machte die Dose, und zischhhhhh machte die Schlange, während wir am Straßenrand saßen, über die bisherige Aussicht sprachen und uns fragten, ob wir es jemals lebend nach Pai schaffen würden. Nicht vieles sprach dafür, aber wir waren hoffnungsvoll.
Gegenüber auf der anderen Seite bemerkten wir während unseres Palavers ein paar Polizisten, und Dennis und ich amüsierten uns köstlich darüber, wie sie uns haben anhalten sehen, eine Dose Bier zechen, und wie wir uns ohne weiteres auf die Roller setzen würden, um unseren Weg fortzusetzen.
Wir lachten, malten uns Szenarien in unseren Köpfen aus, und als wir des Gelächters Appetit gestillt hatten machten wir uns bereit, die restliche Strecke zu fahren.

Der Checkpoint - sponsored by PEPSI

                                 


                                   


Kurzer Thai Witz am Rande: Wieviele Kurven gibt es auf dem Weg nach Pai?
Antwort: Zwei. Rechts und links.
Anmerkung des Schreibers: ich find das auch nicht witzig. Hat sich auf thailändisch jedoch immer wieder bewährt gemacht.
Wir stiegen also wieder auf, fuhren an, und es passierte das, was passieren musste: Dennis glitt aus, stürzte und landete direkt vor den Polizisten, sein Roller ist dabei so blöd auf seinem Fuß gelandet, dass die Zehen schwollen. Ich habe noch nie einen Menschen sich so schnell aufrichten und abdüsen sehen. Die Polizisten standen da und lachten ihn aus. Ich lachte. Wir alle lachten. Außer Dennis.
Ich fuhr ihm hinterher, und lachte noch eine ganze Weile.
Die erwähnte Aussicht war wirklich wunderschön, und ich genoss die Fahrt in vollen Zügen. Im Minivan wäre mir bei den Kurven vermutlich schlecht geworden, aber sie selbst abzufahren war großartig.



                                 


                                                           Atemberaubende Aussicht.


                                  


                                                            Muss ich da was zu sagen...?


Wir überwanden die Berge und überquerten eine kleine Brücke, die dann endlich nach Pai (Mae Hong Son) führte, heilfroh, den Ritt hinter uns zu haben.
Mittlerweile war es dunkel geworden, und wir suchten uns das erst beste Guesthouse, dass wir für unser Budget finden konnten.


                                


                                        For the looks. Auf der Suche nach einem Guesthouse.


Wir wurden relativ schnell fündig und quartierten uns ein in einem Zimmer, welches unseren Ansprüchen genügte. Hier noch ein paar Worte zu Pai, dessen Kurzbeschreibung ich mal ganz keck und frech aus dem Internet gestohlen habe.
( http://www.thailand-spezialisten.com/beliebte-urlaubsziele/nordthailand/pai/ )

Pai

Pulsierende Kleinstadt inmitten einer malerischen Berglandschaft


Pai ist eine kleine Stadt in der bergigen Provinz Mae Hong Son im Nordosten Thailands. Noch vor einigen Jahren war Pai ein verschlafenes Städtchen, in dem nur wenige Touristen gesehen wurden – dies hat sich jedoch sehr verändert. Mittlerweile ist Pai ein farbenfrohes und besonders in der Hochsaison aber auch an Wochenenden stark frequentiertes Reiseziel. Es sind vor allem jüngere Rucksacktouristen, die hier einen Treffpunkt gefunden haben, um oft bis spät in die Nacht zusammen zu feiern.




  Pai, Thailand

Aber auch immer mehr Thailänder wählen Pai als Wochenendziel und Urlaubsdestination für ein kleines Abenteuer in der Natur.
Die Umgebung von Pai strahlt dagegen eine ruhende Schönheit aus. Sie ist mit sattgrüner Natur gesegnet und liegt inmitten einer malerischen Bergwelt, die Heimat zahlreicher verschiedener Bergvölker ist. Durch die Region rund um Pai fließen einige wichtige Flüsse.
Die Stadt Pai liegt etwa 130 Kilometer westlich von Chiang Mai und 100 Kilometer nordöstlich von Mae Hong Son am Pai Fluss. Im gleichnamigen Landkreis Pai, der im Norden an das Nachbarland Myanmar grenzt, sind die letzten Ausläufer des Himalayas vorzufinden.


Besser hätte ich es selbst nicht formulieren können. Zu erwähnen ist eventuell noch, dass Pai mit all den jungen Freigeistern, die es besuchen, eine Art Raggae Hochburg Thailands geworden ist. Jamaica Farben und Thai Rastas mit ungewaschenen Haaren findet man wie Sand am Meer.
Aber weiter im Text.
Dennis und ich liefen durch die Nachtmärkte, sahen ein Bob Marley Gemälde neben dem nächsten und allerhand komisches Zeugs. Alles deutete auf einen legendären Abend hin, und my oh my, wir hatten nichts dagegen. Das Wetter stimmte, das Feeling stimmte, der Pegel stimmte. Aber noch nicht ganz.
Wir machten Halt in einer Bar, in der wir direkt Leute trafen, die sich unserem entzückenden Duo nach ein paar Gesprächen anschlossen. Somit waren wir eine bunt gemischte Truppe aus nur Amerikanern und einem Deutschen, die die Straßen Pais unsicher machten und auch garnicht so bunt war, wie angepriesen. Bier und Cocktails flossen in Strömen und das Leben fühlte sich so ereignisreich und spektakulär an, dass ich es am liebsten in Form eines Regenbogens wieder ausgekotzt hätte.
Wir trafen jemanden, der Tom Hanks in Castaway Konkurrenz hätte machen können und feierten bei guter Live-Musik dieses schöne Wochenende, dass ich eigentlich gar nicht verdient hatte.
Es war ein guter Abend, zweifellos. 



                                


                              Von links nach rechts: Edward Norton, Tom Hanks, Mario Gomez


                                 


Und dann, mir nichts dir nichts, war es notgedrungen an der Zeit war zu schlafen.
Dennis und ich torkelten planlos durch die Stadt auf der Suche nach unserem Guesthouse.
Schwierig.
Eine Frage am Rande: wieviele Gassen hat Pai?
Antwort: Einemillionvierhundertzweiundfünfzigtausenddreihundertachtundsechtzig.

Wir liefen und liefen bis mir irgendwann auffiel, das wir garnicht liefen, sondern nur noch ich. Nach so langer Zeit, so kurz vorm Ziel. Aber wo war Dennis?
Was frag ich euch überhaupt, ihr wisst es eh nicht.
Ich hatte ihn irgendwo verloren. Aber ich hatte keinen Schimmer, wo. Wäre ja auch alles kein Problem gewesen, hätte er nicht die Schlüssel gehabt.
Ich machte eine Pirouette und sah mich um.
"Denniiiiiis?" rief ich in die stille Nacht hinein.
"Hallo Ottoooo", echote es von irgendwo zurück. Aber von Dennis gab es keine Spur. Mit abnehmend guter Laune machte ich mich wieder auf den Weg zurück durch die Einemillionvierhundertzweiundfünfzigtausenddreihundertachtundsechtzig Gassen Pais, suchte in jeder Ecke, in jeder geschlossenen Bar, konnte ihn aber nicht finden.
Ich will es mal kurz fassen: Ich lief eine grobe Stunde umher, nur um festzustellen, dass er es sich heimlich, still und leise in einem geschlossenen Straßenrestaurant in der absoluten Dunkelheit gemütlich gemacht hatte. Es war ein großes, überdachtes Straßenrestaurant mit vielen Tischen gewesen (dessen Stühle alle angeklappt waren) und er saß in der letzten Reihe, also da, wo man einen Menschen den man sucht zuletzt vermutet hätte, und war im Koma.
Ich las ihn ungeschickt hölzern auf und trug Dennis mehr schlecht als recht zurück ins Zimmer. Und so fand der Abend letzten Endes einen glimpflichen Abschluss.
"Ich habe geraucht..." gestand er mir später und alles machte irgendwie Sinn. Irgendwo hätte Bob Marley geschmunzelt.
Wir wachten auf, mit zwei Fahnen im Zimmer, wobei sich keiner erinnern konnte, wo diese herkamen. Ist ja auch egal, wichtig ist nur, dass eine von ihnen nach wie vor in meinem Zimmer hängt.

Wo sie herkam, weiß man nicht, aber sie war wohl wichtiger Bestandteil des Abends.

Der kommende Tag verlief unspektakulär. Das kann ich mit Gewissheit sagen, weil ich mich nicht mal an ihn erinnere, und auch nicht an die Fahrt am Sonntag. Aber der wichtige Punkt der heutigen Geschichte kommt ja noch. Das Highlight sozusagen. Mein Highlight zumindest.

Als wir wieder zurück in der Organisation waren, näherte sich die gemeinsame Zeit seinem Ende.
Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell man sich an einander gewöhnen kann, wie schnell freundschaftliche Bindungen entstehen.
Manche wurden Freunde.
Manche blieben Freunde.
Also was ist jetzt die Quintessenz der Geschichte?
Nunja, erinnert ihr euch noch an den Zwei-Dollar-Schein, der in mir die Sammellust geweckt hatte?Tja, Dennis hat ihn mir nicht gegeben...
Nachdem er abgereist war hatten wir eine Weile keinen Kontakt mehr, so wie das nun mal ist und ein jeder es kennt. Leute gehen ihre Wege, bis sie das Schicksal irgendwann einmal wieder zusammenführt.
Freiwillige kamen,
Freiwillige gingen.
Ich war wieder in meinem Trott, und ereignisreiche Monate, aus denen noch die ein oder andere Geschichte erzählt werden wird, verstrichen.

Bis ich dann nach etwa 6 Monaten eine Facebook Nachricht in meiner Inbox sah. Dennis war wieder in den USA und erzählte mir, dass die Schwester seiner Ex-Freundin nach Thailand kommen würde, um gerne mehr als nur zwei Wochen in unserer Organisation zu verbringen. Er hatte ihr alle unsere Geschichten erzählt, und sie würde sich darauf freuen mich kennenzulernen. Ich solle auf sie aufpassen, und ihr das Land zeigen, in dem ich mich zu diesem späteren Zeitpunkt schon sehr gut eingelebt hatte und auskannte.
Lisa kam und war eine coole Frau - und ich hatte es auch nicht anders erwartet. Ich zog mit ihr das durch, was nach den ganzen Monaten später schon so etwas wie ein Ritual geworden war, wenn die Neuen kamen: ich nahm sie mit in die Bar, wir quatschten, ich beantwortete Fragen und das übliche Programm.
"Bevor ich's vergesse", sagte sie gen Ende des Abends und griff in ihre Handtasche.
"Ich soll dir was von Dennis geben. Er meinte, es würde dir gefallen. Musst ein guter Kerl sein, wenn er ihn dir überlassen will".
Und so brachte mir Lisa, Schwester der Ex-Freundin von Dennis, diesen bewussten Zwei-Dollar-Schein, der schon um die ganze Welt gereist war hier zu mir zurück - an den Anfangsort an dem Dennis und meine Freundschaft begonnen hatte.
Bis heute bewahre ich ihn in Ehren auf, in meiner Sammlung die nun Scheine aus 30 verschiedenen Ländern umfasst. Und sie wächst stetig, dank Dennis.

Wisst ihr, manchmal bedarf es nur einer Kleinigkeit, um einen anderen Menschen wirklich zu rühren. Was eine kleine Geste doch für Wellen schlagen kann.
Dennis und ich haben bis heute immer noch Kontakt.
Er ist mittlerweile verheiratet und ist vor einem knappen Jahr Vater einer wunderschönen Tochter geworden, ein Lebensereignis, über das er selbst wohl am meisten überrascht war. Gestern schrieb er mir einen Geburtstagsgruß, und deshalb musste ich diesen kleinen Schlenker machen, um die Geschichte zu erzählen, die euch vielleicht gelangweilt hat, mir aber große Freude beim Schreiben bereitete. Es ist schön, alte Erinnerungen wieder auferleben zu lassen, und umso schöner ein Stück dieser Erinnerung immerwährend in greifbarer Nähe zu haben. Ich wünsche ihm alles Gute für die Zukunft und hoffe, dass auch unsere Wege sich ein weiteres Mal kreuzen werden.

Egal an welchem Ende der Welt.

                                  


 Die bisherige Sammlung...


                                 


    ...und natürlich der legendäre Zwei-Dollar-Schein! 



Liebe Leserschaft, ich hoffe dieser kleine Ausflug an einen kleinen Ort im Norden Thailands hat euch gefallen. Im nächsten Eintrag geht es dann selbstredend weiter mit meiner Geschichte in Vietnam, und da kommt noch einiges an Abenteuer auf euch zu. Versprochen.


Also bis zum nächsten Mal ;)

p.s.: Die Bilder mit den Unterschriften sind vielleicht etwas verquert, da ich diesen Eintrag neuerlich formatieren musste, und zu faul war es richtig zu machen. Also lebt damit!


Samstag, 1. Oktober 2016

Die Tuk Tuk Patrol


Was lange währt, wird endlich gut.
Mit diesem Satz, geneigte Leserschaft, möchte ich mich für die lange Pause entschuldigen, mit der ich den einen oder anderen von euch auf die Folter gespannt habe.
Ob die nächste Geschichte gut wird, könnt natürlich nur ihr beurteilen... aber habe ich euch jemals enttäuscht?
Es war zugegeben recht schwierig, mich nach meinem abgeschlossenem Studium (hust, lach, kicher) wieder standesgemäß in Deutschland einzufinden. Aber nachdem das gewünschte Maß an Faulheit erreicht war, und all die Pflichten unerfüllt, dachte ich wäre es nun an der Zeit mit meinen außergewöhnlichen Geschichten fortzufahren.
Ich möchte mich an dieser Stelle noch bei jedem derjenigen bedanken, die meine darnieder geschriebenen Worte als wertvoll schätzen. Ihr seid auch Schätze. Deshalb:
Prost ihr Schätze!
Prost du Schatz!
Wo das alles geklärt wäre, will ich auch gar keine weitere Zeit verlieren, sondern direkt durchstarten.

Ich war also noch Gärtner. Ich kann zwar kaum eine Buche von einer Eiche unterscheiden, aber für die dortigen Verhältnisse hat es wohl gereicht. Schließlich bestanden meine Aufgaben meist aus dem Fällen von Bäumen und nicht dem Anpflanzen.
Wie dem auch sei, der Zaun aus Bambus stand und wackelte, das Gras wurde gemäht und die Schlangen verzogen sich so langsam aus meiner neuen Hood. Bilder meines Fleißes wurden ja im letzten Beitrag bereits gezeigt.
Das Jahr neigte sich so langsam dem Ende zu, und die Regenzeit machte Platz für etwas Kälte.
Hääää?? Kälte in Thailand??
Nachts 10 Grad, also wie ein Sommer in Hamburg, Digga!
Das Gelände der Organisation, für die ich arbeitete, veränderte sich, und so auch ich. Mehr und mehr gewöhnte ich mich an die Umstände, die Arbeit, sowie die Leute die mit mir eingesperrt waren.
Es verging die Zeit und als der Februar kam kam auch die nächste Aufgabe, die ich zu bewältigen hatte. Eine Reise nach Vietnam.
Wie ihr ja alle noch wisst, bin ich über das deutsche Programm namens "Weltwärts" nach Thailand gereist. Natürlich funktionierte das alles aber nicht ohne Bedingungen.
Da gab es ein Vorbereitungsseminar, ein Zwischenseminar und ein Abschlussseminar mit drei S.
Ersteres hatte ich natürlich vor Antritt meiner Reise absolviert, doch nun stand für mich das Zwischenseminar an. In diesem wurden alle Weltwärts-tätigen Asiens nach Vietnam gerufen, um dort über ihre bisherigen Erfahrungen zu berichten, mehr zu lernen und vor allem Bier zu trinken.

Ich war natürlich hocherfreut über den Termin und den Ort, denn bezahlten Urlaub in Vietnam zu machen, ist natürlich allseits ein tolles Ding.
Stattfinden sollte das ganze in Hua Bing (oder so ähnlich), ein Dorf ca. zwei Stunden entfernt von der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi.
Nach unkomplizierter Absprache mit den Verantwortlichen habe ich natürlich treu und brav den Flug gebucht (auf Weltwärts Kosten), und mich mehr oder weniger auf die Reise vorbereitet.
Visum unbedingt im Internet schon anmelden. Am Flughafen Nein Nein. Geht nicht!
Naja und wer mich kennt, der kennt mich. Meine Anmeldung verlief wohl eher... wie sagt man im Fachjargon? schlampig?... aber dazu später mehr.

Es war also an der Zeit aufzubrechen. Eine knapp zehnstündige Fahrt nach Bangkok erwartete mich, mit einem Aufenthalt von ca. sieben Stunden, bevor der Flug ging.
Oder gehen sollte.
Ich stieg also voller Elan in den Bus, im T-Shirt und mit Flip Flips an den Füßen, knapselte mir meine Kopfhörer in die Ohrmuscheln und erfreute mich an der schönen Landschaft, von der man bei einer Nachtfahrt eh nichts sehen konnte.
Der Bus war natürlich der billigste den ich kriegen konnte, mein Budget selbstverständlich bis auf den letzten Baht angepasst um in Hanoi anzukommen, an dessen Flughafen ich mich mit all den anderen Seminarteilnehmern treffen sollte. Von dort an wurden eh alle Kosten übernommen.
Hihi, huhu, hehe....
Nach einer schuakeligen aber dennoch reibungslosen Fahrt kam ich dann letztendlich in Bangkok an.
Nichts wissend und fröhlich pfeiffend wimmelte ich umher, während ein Taxifahrer nach dem anderen ganz erpicht darauf war mich von der Busstation irgendwo hinzubringen. Ich fühlte mich blendend, denn irgendwie wollten mir alle Fahrer "Sonderpreise" machen. Nur für mich? Boah, da ist mir mein Ruf mal wieder voraus geeilt... hätte ein naiver Mensch gedacht.
Ich war mir der Sache natürlich bewusst, und hab mir den billigsten Preis ergaunert, den man für eine Fahrt in die KhaoSan Road bezahlen konnte. Da es noch am frühen morgen war, kamen wir erstaunlich gut durch (nicht, dass ich das an diesem Zeitpunkt schon gewusst hätte) und nach etwa 30 Minuten erreichte ich mein Ziel. Warum KhaoSan Road? Nun, ich hatte natürlich schon davon gehört, und mit weiteren sieben Stunden Zeit im Nacken erschien mir das zunächst eine gute Idee zu sein.

KhaoSan Road bei Tag ( zu einem späteren Zeitpunkt meines Lebens)


Mit meinem Koffer bepackt kam ich also an und wuselte mich durch eine der wohl bekanntesten Gassen der Welt. Besoffene Touries lagen auf der Straße, Ratten liefen auf der Straße und ein obdachloser Einheimischer pinkelte auf die - ihr habt es erraten - Klobrille.
Da war ich nun, inmitten der Menschen, von denen ich noch oft genug einer werden würde (gleicher Ort, anderer Zeitpunkt) und setzte mich auf den Bordstein.
Und nun?
Naja, erstmal sitzen.
Und ich saß.
Wie verbrachte man sieben Stunden Wartezeit, ohne einen einzigen Pfennig in der Tasche?
Ich konnte mich nirgendwo hinein setzen und etwas trinken. Konnte mir kein schäbiges Zimmer mieten um mich von der Fahrt auszuruhen. Eine Sightseeing-Tour kam auch nicht in Frage.
So erhob ich mich und dachte mir:
Du kannst dir auch mit Laufen die Zeit vertreiben. Dann siehst du vielleicht das ein oder andere.
Ich verließ die KhaoSan Road, passierte diesen großen Wendekreis mit diesem komischen Monument und lief einfach so, wie es mir passte.
Nach ungefähr fünf Minuten war ich außer Puste, lief aber bestimmt noch weitere zehn und kam letztendlich an, an einer der wohl bekanntesten Tempelanlagen Thailands. Nein, DIE bekannteste Tempelanlage - der Wat Phra Keaw. Für den hatte ich natürlich keinen Eintritt, und ich habe ihn auch bis heute nicht von innen gesehen.
Ich verweilte dort eine Weile, rauchte und schaute mich um, bis ein Tuk Tuk Fahrer zu mir gelatscht kam. Voller Inbrunst fragte er mich die Frage aller Fragen:
"Tuk Tuk?"
Ich verneinte mit all dem Thai, was ich bis dato gelernt hatte und erklärte dem Fahrer freundlich, dass ich nicht mal Geld für ein Zimmer hatte, um mich auszuruhen.
"Kein Geld?"
Er erzählte mir etwas, dass ich nicht verstand und teilte mir mit, doch bitte an Ort und Stelle zu warten. Ich tat wie mir geheißen, und nach einigen Augenblicken kehrte er zu mir zurück - mit einem zweiten Tuk Tuk Fahrer im Gepäck.
Dieser musterte mich und kam wohl schnell zu dem Entschluss, dass ich wirklich keine Scheine in der Tasche hatte.
Dann fielen die Worte, die tatsächlich mein Interesse weckten.
"Wanna make money?" (zu deutsch: willst du'n bisschen money maken?)
Selbstverständlich wollte ich das.
Ja, wirklich.
Mit einem Dollarzeichen in den Augen nickte ich ihm zu und er erzählte mir von dem Plan, von dem ich eh kein Wort verstand, beziehungsweise nur Bruchstücke.
Es war etwas von einer gratis Fahrt und dem Teilen von Geld im Gespräch, und beides klang für mich gleichermaßen interesting (zu deutsch: interessant).
Ich stieg mit meinem Koffer bepackt bei dem Herren ins Tuk Tuk und ließ mich treiben von einer Welle der Euphorie und Ahnungslosigkeit. Wir fuhren etwas durch die Gegend und ich genoss gerade den Fahrtwind, als er auch schon in eine Gasse fuhr und vor einem Anzugladen hielt.
"Du gehst da rein. Mindestens fünf Minuten. Kommst wieder. Geld".
Ich weiß nicht ob es die exakten Worte des Mannes waren, der mich durch Bangkok chauffierte, aber was hatte ich schon zu verlieren? Geld jedenfalls nicht. Mein Leben? Vielleicht. Aber das eine macht ja ohne das andere eh keinen Spaß.
Ich betrat also den Anzugladen und wurde prompt persönlich von einem Pakistani (oder auch Nepalesen) empfangen.
Dann wurde ich aufgefordert mich zu setzen, vor mir ein Tisch vollgepackt mit Magazinen in denen die feinsten Anzüge von BOSS, PRADA, GUCCI etc zu sehen waren. An den Wänden hingen diverse Stoffe und verliehen dem Geschäft eine seriöse Aura. Der Anzugmacher setzte sich mir gegenüber und schaute mir in die Augen.
"Also, was für eine Art Anzug willst du denn?" fragte er in freundlichem Ton.
Fünf Minuten, rief ich mir ins Gedächtnis und ließ mir beim Antworten gehörig Zeit.
"Ich würde mir gerne die Magazine ansehen, und mich für ein Modell entscheiden", sagte ich und griff nach einem, dass direkt vor meiner Nase lag.
Jedes Modell bei dem ich kurz innehielt, wurde von ein paar erklärenden Worten des Pakistani (oder auch Nepalesen) begleitet. Als ich das Gefühl hatte, die Zeit abgesessen zu haben, deutete ich auf einen Anzug, der mir besonders gefiel.
"Der hier ist ganz nett", sagte ich und zeigte mit einem schwitzigen Finger auf die aufgeschlagene Seite.
"Welchen Stoff hättest du gern? Hohe Qualität, Mittelteuer, bla bla und bla bla."
Er holte mehrere Stoffe in verschiedenen Farben an den Tisch und ließ mich auch diese mit meinen schwitzigen Fingern betatschen.
"Der ist gut", sagte ich mit dem Versuch meine Gleichgültigkeit zu verbergen und suchte mir einen aus, der mir eh nicht gefiel. War ja im Endeffekt auch egal.
"Dann komm mit zum Vermessen, der Anzug kostet bla bla und bla und bla bla bla bla."
"Bla", entgegnete ich und der Anzugmacher wurde grimmig.
Es ging um das Thema vorab Bezahlung.
Ich erklärte dem Mann freundlich, dass ich kein Bargeld dabei hätte, um den Anzug jetzt gleich zu bezahlen, aber das wollte der gar nicht gern hören.
"Draußen vor der Tür ist ein ATM", sagte er während die Freundlichkeit aus seinem Gesicht schwand und meine Finger schwitziger und schwitziger wurden.
"Ich hab leider nur Bargeld im Hotel, magst du mir nicht deine Karte geben? Ich komm dann später noch mal wieder..."
Auch das wollte er nicht hören.
Unfreundlich entließ er mich aus dem Laden und ich lief zurück zu meinem Tuk Tuk samt Fahrer. Nachdem ich zugestiegen war bog er um eine Ecke, hielt, und drückte mir 50 Baht in die Hand.
Badoooom machte es in meinem kopf, und ich konnte die Idee hinter all dem verstehen. Der Fahrer bekam für jeden potenziellen Kunden eine Provision von 100 Baht bar auf die Kralle bezahlt, solange sich dieser nur lang genug im Laden aufhielt, um auch als ein solcher zu wirken.
Dankend nahm ich das Geld an und wir machten uns auf zum nächsten Geschäft, um auch dieses abzuzocken. Wir waren ein Team und spielten zwar nicht ganz regelkonform, aber wen störte das schon?
Tja, wer andern eine Grube gräbt, der hat ein Grubengrabgerät.
Wir taten ja schlussendlich nichts anderes, als die Abzocker abzuzocken. So eine Art moderner Robin Hood war ich, Roger Hood vielleicht, nur dass ich den Ertrag natürlich in die eigenen Taschen steckte.
Wir drehten unsere Runden, zockten Juweliere, weitere Anzugmacher und Reisebüros ab.
Ich muss jedoch gestehen, dass ich mich zunehmend unwohler bei der Sache fühlte. Es war nicht mein Gewissen, sondern eher die Tatsache, dass sich unsere kleine Vereinigung von Roger Hood und Bruder Tuk Tuk rumsprechen könnte. So entschied ich für mich selbst, dass es an der Zeit war, meinen Business-Plan aufzugeben und in den Ruhestand zu gehen.
"More more!" (zu deutsch: Möhre, Möhre!) drängte der gierige Fahrer, aber mir waren die 300 Baht genug. Ich war glücklich und zufrieden und verkündete dem Fahrer daraufhin meinen Rücktritt.
Er sah ein, dass es keinen Zweck hatte mich weiter zu überzeugen und stimmte zu. Schließlich hatte Bruder Tuk Tuk sich ja auch den ein oder anderen Baht durch unsere Aktion verdient.
(Ich vermute er hat mir sogar jeweils weniger als die Hälfte ausgezahlt, aber was soll's).
Wir fuhren noch ein kleines Stück durch die mittlerweile vollen Straßen Bangkoks ehe er an einem kleinen Restaurant anhielt und sein Tuk Tuk parkte.
"Ich lad dich auf ein Bier ein" sagte der Fahrer und lächelte. Und das tat er auch. Also das mit dem Einladen meine ich. Aber gelächelt hat er auch.
Wir tranken jeweils ein großes Leo Bier und ich genoss jeden Moment. Das war also Bangkok, die Stadt in die man als Fremder kam und die dort lebenden Abzocker abzockte.
Eigentlich ein ziemlich witziger Gedanke, findet ihr nicht? Man könnte fast meinen diese Geschichte wäre.. ääähm... außergewöhnlich?
Anschließend fuhr er mich zurück in die KhaoSan Road und wir verabschiedeten uns tränenreich von einander.
Von diesem Zeitpunkt an waren da immer noch ein paar Stunden, die es totzuschlagen galt, bevor ich zum Flughafen musste, also entschied ich mich dafür ein 200 Baht Zimmer zu nehmen (bestehend aus einem Bett und einem Ventilator) und legte mich hin.
Als der Wecker klingelte sprang ich flugs auf und suchte mir leichten Schrittes ein Taxi, dass mich zum Flughafen bringen konnte.
Das war auch alles kein Problem, und als ich so auf dem Beifahrersitz saß stieg in mir die Vorfreude auf Vietnam auf. Etwa 17 Stunden war ich unterwegs gewesen, zwei weitere Stunden am Flughafen würden folgen. Aber das war ok, das gröbste war geschafft.
Dachte ich.
Zeit für den Check-In.
Pünktlich.
Kein Problem.
Koffer liegt auf dem Gepäckband.
Frau checkt meinen Reisepass.
Top.
"Haben Sie denn die Bestätigung für Ihr bezahltes Online-Visum dabei?"
Schock.

Da stand ich nun, nach all der Zeit, die mir fast wie eine Reise zum Schicksalsberg vorkam und konnte das Flugzeug nicht boarden (zu deutsch: brettern), weil ich doch tatsächlich zu dumm gewesen war, mich um das Visum zu kümmern. Triefend vor Schweiß und ohne zu wissen, was ich mit mir anfangen sollte, verließ ich erst mal ganz klein den Check-In Bereich und überlegte, was das wohl für Konsequenzen haben würde.
Aber auf diese Geschichte mit ihren Konsequenzen müsst ihr alle noch warten, denn für heute habe ich mein Maß an Kreativität erschöpft. Also nicht, weil ich mir diese Geschichten ausdenke, die sind schon so passiert! Aber ihr wisst ja, was ich meine. Irgendwie müssen die ja auch mit Liebe und ein paar Rechtschreibfehlern hingeklatscht werden.
Deshalb endet diese heutige Geschichte mit einem Cliffhanger, oder wie mein Vater zu sagen pflegt, mit einem Hangover.

Also, bis zum nächsten Mal!

p.s.: Entschuldigt die Armut an Bildern, aber meine Kamera, auf der sämtliche Bilder bis zu diesem Zeitpunkt gespeichert waren, wurde in Vietnam geklaut. Doch dazu mehr beim nächsten mal ;)




Mittwoch, 11. Mai 2016

Der 20.10.2010: ein ganz besonderer Tag?

Willkommen zurück, wertes Publikum.

Nun möchte ich gern weiterführen, was ich vor ein paar Stunden begonnen habe: Mein Abendessen. Schlauerweise hab ich mir was für den Notfall übrig gelassen, und der ist nun eingetreten.
Des weiteren wird aber auch ein neuer Eintrag in meinem Blog folgen. Falls ihr euch nicht mehr erinnern solltet, geht gefälligst zurück und lest den ersten Eintrag, ihr Lümmel.
So weit so gut.
Heute möchte ich eigentlich genau da weitermachen, wo ich beim letzten Mal aufgehört hatte. Macht ja auch Sinn irgendwie. Die Geschichte auf die ich mich an diesem sengend heißen Tag konzentrieren möchte, war meine erste nähere Erfahrung mit der thailändischen Gastfreundschaft, eine simple, aber herzerweichende Geschichte. Noch geht es nicht um geklaute Roller, meinen Auftritt im TV, das Einbrechen in eine Bar über Balkons, oder meine Teilnahme an einem Internationalen Redewettbewerb.
Nein, es geht ganz schlicht um meinen Geburtstag. Den ersten, den ich in Thailand verbracht habe, und er sollte für mich persönlich, wie das Datum schon erahnen lässt, etwas ganz besonderes sein.

Ich war also angekommen. Endlich.
Nachdem der Chef der Organisation mich vom Flughafen abgeholt hatte, machten wir uns auf den Weg in das Dorf, dass für die nächsten 12 Monate mein Zuhause sein sollte. Und genau das war es auch, mein neues Zuhause, und ein Dorf.
Es war natürlich schwierig, die neuen Eindrücke zu verarbeiten. Überall fuhren Mopeds, Katzen und Hunde lagen auf Restauranttischen, die Leute glotzten und die Sonne knallte. So ungefähr könnte man es zusammenfassen. Als erster Langzeitfreiwilliger (ist das ein Wort?) in der Organisation wusste ich jedoch, dass ich mich daran zu gewöhnen hatte.
Besonders in der ersten Zeit durch das Dorf zu laufen, war merkwürdig. Die Leute starrten, als wäre ich ein griechischer Gott. Ich glaube diese Erfahrung kann jeder Westler, der mal in Thailand gelebt hat bestätigen.
Und wisst ihr was? Ich fand es witzig, ich fühlte mich besonders, ich war special (Englisch für "spezial") - einer der Punkte, die mich im späteren Leben hier in Thailand noch am meisten nerven sollten.
Die erste Zeit verlief recht holprig, und ich hatte viel zu kämpfen, am meisten mit mir selbst. Nicht ahnend, was von einem Frewilligen so erwartet wird, hielt ich es für richtig bis in die Puppen zu schlafen, und tagsüber dann am Laptop zu kleben, um damit anzugeben, dass ich Freiwilligenarbeit mache. Das funktionierte auch ganz gut - für eine Woche oder so, bis mir zum ersten Mal mit dem Rausschmiss gedroht wurde. Ich hab es der Frau meines ex-Chefs zu verdanken, dass ich überhaupt die Gelegenheit hatte, mehr von Thailand zu sehen, als die Dorfstraße die vor unseren Toren verlief.

*zirp zirp*

Ich war naiv, zugegeben, aber ich war auch bereit, meine Attitüde zu ändern. Ich wollte ja nicht wie Jan enden (wer ihn kennt, weiß, was gemeint ist), also versuchte ich mich so nützlich wie möglich zu machen.
Ich fing an im Garten zu arbeiten, baute Zäune aus Bambus und machte Bambus aus Zäunen. Es war Oktober - Regenzeit - und so mussten auch Gräben gegraben werden, in denen das Wasser dann rüber zum Nachbarn abfließen konnte.



Ich arbeitete wirklich hart, zum ersten Mal in meinem Leben, und fühlte mich viel wohler. Und wie jeder rechtschaffene und hart arbeitende Mann, brauchte ich zum Feierabend Bier. Die kleine Dorfkneipe am Straßenrand bei der Kreuzung war mir schon zuvor aufgefallen, doch ich hatte bisher noch nicht ganz den Mut gehabt, dort einzukehren. Nach ein paar weiteren Tagen ließ sich der Durst jedoch nicht mehr ertragen, und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich dorthin zu begeben. Tiki, unser treuer Thai Hund folgte mir.
(Nebenbei am Rande, ein paar Monate später wusste Tiki so gut bescheid, dass er jedes mal bei Anbruch der Dunkelheit alleine zur Bar rannte, und da auf mich wartete)

Tiki beim Verzehr einer Schlange in unserem Garten

Hier lernte ich auch meine ersten Fetzen Thai von den lokalen Einwohnern, die mich wie einen König empfingen. Die meisten wussten von der Organisation, aber kein Farang zuvor hatte sich jemals so weit rausgewagt, und dann auch noch allein!
Fröhlich redeten sie auf mich ein lachten, machten Witze, und ich saß da, grinsend, und schlürfte mein Bier. Einen Dreck hab ich verstanden, aber es machte trotzdem Spaß. Ich gestikulierte mit meinen Händen, und allgemein globale Wörter wie "Beer" und "Whiskey" wurden von allen verstanden. Mit meinem langen E.T.-Zeigefinger deutete ich auf Gegenstände, und lernte, wie man diese auf Thai ordnungsgemäß benannte. Ich will nicht lügen, aber ich glaube mich zu erinnern das Wort "Glas" noch vor "Dankeschön" gelernt zu haben.
Wir wurden Freunde, dass Dorf und ich. Die Kunde vom Farang, der sich in die Bar setzte um Thai zu lernen verbreitete sich sehr schnell, und immer mehr Leute kamen, und ich lernte sie alle kennen.





Die Tage wurden erträglicher, und die ganze Sache fing echt an mir Spaß zu machen. Ich arbeitete hart und trank noch härter. Obgleich das Bier damals noch günstig war im Vergleich zur Gegenwart, hielt ich es trotzdem für besser auf den guten alten Hong Thong umzusteigen, das Gebräu, was auch alle meine lokalen neuen Freunde tranken. Ein Shot vom guten Thai Whiskey für nur 10 Baht, also umgerechnet ....was?.... keine Ahnung, 25 Cent oder so. Alles war prima.

Dann rückte mein Geburtstag näher, der 20.10.2010 an dem ich 20 Jahre alt werden sollte. Was für ein Datum! Ich weiß noch, wie ich jahrelang in Deutschland hoch und heilig versprochen hatte, die größte Feier der Welt zu schmeißen, um dem Datum gerecht zu werden. Nun saß ich hier, am anderen Ende der Welt und war dadurch sämtlichen Versprechungen und Kosten aus dem Weg gegangen. Was für ein Schachzug!
Aber ich war zugegebenermaßen auch etwas traurig. Ich meine sicher, man hat seine copy/paste Glückwünsche lieblos an die FB Pinnwand geklatscht bekommen, und auch ein paar sehr freudige und nette Nachrichten in der privaten Mailbox, aber im allgemeinen war es ein eher einsamer Tag.
Also schön, ich will auch nicht zu sehr in Selbstmitleid verfallen, so schlimm war es auch nicht.

Ich ging wie üblich am Abend ins Kung Ten (der Name der Dorfbar, heißt übersetzt tanzender Shrimp, eine der vielen Delikatessen, die man sich hier in Thailand reinpfeiffen kann) und setzte mich an den gewohnten Platz bei den üblichen Stammkunden. Ich war ja jetzt einer von ihnen, und auch schon garnicht mehr so besonders.
Ich gönnte mir etwas zu trinken und versuchte weiter mein Thai zu verbessern. An dieser Stelle weiß ich nicht mehr genau wie es dazu kam, aber aus irgendeinem Grund fiel das Thema auf meinen Geburtstag. Vielleicht hatte ich die Hoffnung, Getränke spendiert zu bekommen und sprach es deswegen an, das würde zumindest Sinn machen, aber wer weiß das schon.
Auf jeden Fall wurden die 2-3 Leute auf einmal ruhig und murmelten etwas. Ich hab natürlich kein Wort verstanden. Fünf Minuten später verabschiedete sich einer meiner Freunde und ging. Zurück blieben nur ich, und ein weiterer Freund. Wir saßen in der Stille tranken, und schwiegen uns an. Das ging eine ganze Weile so. Frösche quakten irgendwo, in weiter Ferne hörte man Motoren.

Was dann geschah, werde ich niemals richtig in Worte fassen können. Ich schätze, ihr hättet dabei sein müssen um wirklich nachvollziehen zu können, was ich empfand.

Als mein übrig gebliebener Freund der Barfrau auf einmal zunickte, ging sie hinter den Tresen und knipste die Sicherung aus. Sämtliche Lichter erloschen und wir saßen im Dunkeln umgeben von den natürlichen Geräuschen der Nacht. Dann verschwand auch er um die Ecke, und ich schaute verwirrt wie ein Schwein ins Uhrwerk. Ich hatte mit nichts gerechnet, und es erschien mir doch sehr fragwürdig, eine Bar auf diese Art und Weise zu schließen. Dann hatte mein nicht allzu lange verschollener Freund seinen großen Auftritt. Kerzen wurden entzündet, und meine beiden Freunde zusammen mit der Barfrau kamen um die Ecke, einen Pappteller mit Keksen und Geburtstagskerzen in den Händen tragend, und sangen in die Stille der Nacht hinein:

Happy Biiirthday to youuu....... ihr kennt ja den Text.

Einfach alles an diesem Moment war magisch. Ich glaube nicht, dass meine Schreibkünste ausreichen, um es auch nur annähernd wahrheitsgemäß vermitteln zu können - aber ihr müsst mir einfach glauben. Oder auch nicht.
Ich war gerührt, als sie sangen und mir den Teller mit Keksen überreichten, ich war froh hier sein zu dürfen, an diesem Tag am anderen Ende der Welt. Ich glaube tatsächlich, dass dieser Tag, mein Geburtstag, am 20.10.2010, der Tag an dem ich 20 wurde, massiv dazu beigetragen hat, mich in dieses Land zu verlieben. Wir hatten nicht immer eine rosige Beziehung, das alte Siam und ich, aber das Leben ist ja allseits bekannt auch kein Märchen.
Das war eine der ersten von vielen Erfahrungen die ich machen durfte, Erfahrungen, die mich prägten und fortwährend mein Leben bestimmten. Und sind wir mal ganz ehrlich: hätte ich mir auch nur irgendetwas schöneres wünschen können?





Dienstag, 10. Mai 2016

Wer bin ich und was tu ich hier?

Schönen guten Tag meine verehrten Damen und Herren.

In meinem brandneuen (und auch ersten) Blog möchte ich gerne meine extravaganten Erfahrungen mit euch teilen, die mir in den letzten 5 Jahren meines Lebens hier in Südostasien (hauptsächlich Thailand) widerfahren sind. Extravagant? Hat er das wirklich gesagt?
Natürlich mag der ein oder andere kluge Mensch unter euch sich jetzt fragen: Was unterscheidet den Farang denn von den vielen anderen, die sich in Thailand rumtreiben?
Nun, die Antwort ist leicht: so ziemlich alles. Die Geschichten die mir am Herzen liegen, haben nichts von dem, was man sonst so hört, wenn ein Freund oder eine Freundin mal Urlaub im Land des Lächelns gemacht hat. Ich werd euch nicht erzählen, wie ich zum ersten Mal frittierte Insekten gegessen habe, oder der Tuk Tuk Fahrer mich abziehen wollte. Gähn, das wär ja auch viel zu einfach. Nein nein, ich führe mehr im Schilde.
Aber macht euch doch gerne selber ein Bild.
Im heuten Eintrag, der hoffentlich den Start einer erfolgreichen Bloggerkarriere markiert, möchte ich euch zunächst einmal etwas über meine eigene Person erzählen, und euch dann langsam und Stück für Stück die Antworten geben, nach denen ihr so gierig lechzt, auf Fragen, die ihr nie gestellt habt. Folgt mir nun in die Vergangenheit, und genießt euren Aufenthalt. Viel Spaß.





Mein Name ist Roger, ich bin gebürtiger Berliner und lebe seit so ca 5 Jahren in Thailand. Ich bin kein alter Expat, der sich in Pattaya den Nacken rotbraun backen lässt, während junge Barschnitten ihm die Füße massieren und ihm Chang Bier in den Rachen kippen. Ich bin kein Backpacker, der sich mit seinem riesen Rucksack durchs Land schlägt, den Kopf voller Abenteuer und Ideen und auf der Suche nach globaler Erleuchtung ist.
Ich bin Student an der Chiang Mai Universität in Chiang Mai, Thailand. Ööööööde. Aber hey hey, ich bin keiner von diesen langweiligen "Austauschstudenten", sondern einer, der sich einem 4-jahres Programm unterzogen hat, um am Ende das wohl nutzloseste Diplom der Welt in Händen zu halten: Den Bachelor of Arts in Thai as a Foreign Language, oder für die Englisch unfähigen unter euch: Ich habe Thai studiert.
Wieso um alles in der Welt? 
Sagen wir mal so, ich hatte meine Beweggründe, die ich in Kürze erläutern werde. Ich möchte hierbei nur die Chance nutzen um euch Punkt eins zu nennen, der mich von den anderen Weißhäuten hier grundlegend unterscheidet. Ich spreche die Sprache (sollte man bei DEM Studium auch erwarten). Ich lese sie, ich schreibe sie.
Ach, das können doch viele! möchte man mir jetzt eventuell vorwerfen.
Nein, das können nicht viele. Ich bin mir durchaus im Klaren, dass der deutsche Expat, der hier seit 20 Jahren lebt, in der Lage ist mit seinem rumpeligen Akzent und falscher Tonlage sein Bier zu bestellen und an der Rezeption Hallo zu sagen. Aber das meine ich nicht, wenn ich sage, dass ich die Sprache spreche. Ich meine ich spreche sie fließend, bis zu dem Punkt, dass Thais am Telefon nicht unterscheiden können, ob ich Ausländer oder einer von ihnen bin. So gut, dass ich gefragt werde, ob ich hier geboren wurde (worauf ich gerne antworte, dass ich halb Thai bin, obwohl mein Gesicht so ziemlich das deutscheste Gesicht ist, was es gibt). Diese Art von sprechen meine ich. Als Beweis hab ich unten ein Bild eingefügt, in welchem ich etwas auf Thailändisch sage.


Ich will ja auch garnicht groß weiter prahlen und angeben, sondern wollte euch zunächst einmal nur zu verstehen geben, was mich vom groben Rest unterscheidet. So bin ich nämlich nicht nur in der Lage tiefgründigere Gespräche mit Leuten zu führen, die kein Englisch können, sondern auch auf eine ganz andere Art und Weise in eine Kultur einzutauchen, die so fremdartig und schwer zu verstehen ist, dass selbst gebürtige Thais meist keine vernünftige Antwort auf ihr Verhalten finden.


Im Alltag habe ich nur mit gleichaltrigen Thais zu tun (und ein paar Chinesen), und hatte somit genügend Zeit nicht nur deren Verhalten zu observieren, sondern mich mit ihnen zu unterhalten, Fragen zu stellen, und zu reflektieren. Aber diese Punkte werden alle zu späteren Zeitpunkten noch angesprochen. In den einzelnen (und hatte ich erwähnt, außergewöhnlichen?) Geschichten die noch folgen werden, sofern denn Interesse beim Leser/in besteht.
Zunächst mal möchte ich aber gern erklären, wie ich hier überhaupt gelandet bin, was mich dazu getrieben hat, meine so schöne und sichere Heimat zu verlassen, und mich am anderen Ende der Welt niederzulassen.
Alles startete eigentlich ziemlich simpel. Ich war in der Endphase meines Abiturs und war als einer der 8 schlechtesten Absolventen meines Jahrgangs zu dem Entschluss gekommen, dass ein Studium direkt im Anschluss vielleicht nicht unbedingt das beste für mich sei. Ausbildung? Mäh, keine Ahnung. Ich war jung, arm und erfolglos. Oh, und Ideenlos natürlich. Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen, wie ich in meinem Zimmer saß, die Glotze an, und mir eine Dokumentation über deutsche Bahnstrecken ansah. Fragt nicht wieso, ich weiß es selber nicht, aber ich denke dass es das erste Mal war, dass ich die tatsächliche Schönheit Deutschlands registriert habe. Mein Leben lang habe ich in Berlin gelebt, mich nicht gekümmert, wie es woanders ist, und auf einmal erkannte ich, wie prachtvoll die Berge, wie blau die Seen und wie herrlich die Wälder sein können (es gibt wirklich viele schöne Zugstrecken).
In diesem Moment hat es klick gemacht, irgendetwas war mit mir, nein in mir geschehen. Ich hatte eine geistige Explosion in meinem Kopf, Synapsen knapsten, und dann war sie da: die Epiphanie.
Du musst fort, raus in die Welt. Du hast 20 Jahre hier verbracht, doch es gibt so viel mehr zu sehen, so viele fremde Kulturen zu erforschen. Gehe nun mein Sohn, geh!
Natürlich hat meine eigene Stimme in meinem Kopf mich nicht mit "Mein Sohn" angesprochen, aber das könnt ihr euch ja denken. Naja jedenfalls kam es, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl von Fernweh empfand. Diese Plötzlichkeit dahinter war besonders begeisternd, und ich wurde direkt euphorisch. Doch es gab ein Problem: wie sollte ich das anstellen? Meine Familie ist nicht reich, ich war zu faul zu arbeiten. Eine Weltreise kam nicht in Frage...
Also machte ich mich im Internet schlau, und siehe da, ich fand erste Hinweise: Freiwilligenarbeit (Ja ich war faul, aber um meinen Durst nach neuartigem zu stillen nahm ich es in Kauf).
Ich grub tiefer und tiefer im Internet, bis ich letztendlich in einem Forum die Antwort fand. Sie hieß Weltwärts.
Das Weltwärts Programm ist ein entwicklungspolitischer Freiwilligendienst, der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gefördert wird. Aber was rede ich überhaupt, ich kopier euch einfach mal ganz frech die Zusammenfassung der Website hier hinein:


Viele junge Menschen haben Interesse daran, entwicklungspolitische Projekte im Ausland zu unterstützen. Das BMZ hat daher 2008 den aus öffentlichen Mitteln geförderten Freiwilligendienst "weltwärts" ins Leben gerufen. Jedes Jahr nehmen mehr als 3.000 junge Erwachsene im Alter zwischen 18 und 28 Jahren daran teil. Sie arbeiten in einem Entwicklungsprojekt in Afrika, Asien, Lateinamerika oder Südosteuropa mit. Das gegenseitige Lernen und der interkulturelle Austausch sind wesentliche Aspekte des Freiwilligendienstes.
Seit 2013 können auch junge Menschen aus den Partnerländern einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst in Deutschland leisten. Diese sogenannte Süd-Nord-Komponente trägt dazu bei, dass der gleichberechtigte Austausch zwischen den Partnern gefördert und bestehende Partnerschaften weiter gestärkt werden.
Rund 180 gemeinnützige Organisationen in Deutschland und zahlreiche Partnerorganisationen in den Einsatzländern beteiligen sich an dem Freiwilligendienst. Sie bereiten die weltwärts-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer intensiv auf ihren Einsatz vor, unterstützen sie bei allen Formalitäten der Ausreise und betreuen sie vor Ort. 
(http://www.bmz.de/de/ministerium/wege/bilaterale_ez/zwischenstaatliche_ez/freiwillligendienst/)

Das Programm erwartet vom Geförderten, eine Geldsumme von 1800 Euro zusammenzutreiben, von denen man dann aber 300 Euro Taschengeld pro Quartal überwiesen bekommt. Im Endeffekt zahlt man also nur 600 Euro für einen Jahresaufenthalt in einem anderen Land. Das nenn ich nicht übel. Aber das war der Stand im Jahr 2010, also wer weiß, was sich alles geändert hat. Jedenfalls klang das nach einer Möglichkeit, die sich eventuell realisieren lassen würde können (ist das überhaupt ein legitimer Satz? Ich weiß es nicht, es ist hier gleich 4 Uhr nachts, irgendjemand wird es schon in die Kommentare setzen).
Und da kam meine Oma ins Spiel, sie gab mir die nötige finanzielle Unterstützung die ich brauchte, um meinen Traum verwirklichen zu können. Ihre Geschichte ist eine eigene für sich, aber die heben wir uns auf für einen anderen Tag. 
Oma sagte also zu, und das war spitze. Ich fing an mich bei verschiedenen Organisationen in Südostasien zu bewerben, hierbei spielte es für mich keine Rolle, ob in Kambodscha, Vietnam, Thailand oder Buxtehude. Ich wusste nur, dass ich nach Asien wollte. Wenn schon Abenteuer und fremde Welt und bla, dann aber richtig. 
Nach einer Weile des Zitterns erhielt ich dann endlich Antwort von einer Organisation nördlich von Chiang Mai (Nord Thailand), die dringend nach männlichen Freiwilligen suchte. Und auf einmal war er da, der Schlachtplan. Alles was danach passierte, kam mir vor wie im Zeitraffer: Tickets wurden gebucht, Sachen wurden vorbereitet, wilde Parties wurden gefeiert und dann war es Zeit zu gehen. Geh nun mein Sohn, geh!
Und das tat ich. 


Bildunterschrift hinzufügen


So viel erstmal zu meiner heutigen kleinen Einleitung. Ich weiß, ich habe außergewöhnliche Geschichten angepriesen, und die werden kommen! Das ist ein Versprechen. Gemach gemach. Das was ich gerade geschrieben hab, war nur der Anfang, quasi ein bisschen Hintergrundinformation um euch in Wallung zu bringen. 
Viele Fragen stehen natürlich noch aus. Was ist nach dem ersten Jahr passiert? Wieso bin ich Student geworden? Wo ist die letzte Rolle Klopapier? Und so weiter und so fort. Die Antworten werden nach und nach in den verschiedenen Erzählungen preisgegeben. Eines kann ich aber vorwegnehmen: Wut, Trauer, Freude, und eine gehörige Portion Humor werden in fast allen eine Rolle spielen. Ich werde versuchen die Geschichten so gut es geht chronologisch zu ordnen, dementsprechend geht es im nächsten Blogeintrag weiter mit Geschichten aus dem Dorf, indem ich letztendlich ca 1 1/2 Jahre verbracht hab, und das mich mehr geprägt hat als alles andere auf meinem Weg zu dem, der ich jetzt bin: Roger.