Mittwoch, 11. Mai 2016

Der 20.10.2010: ein ganz besonderer Tag?

Willkommen zurück, wertes Publikum.

Nun möchte ich gern weiterführen, was ich vor ein paar Stunden begonnen habe: Mein Abendessen. Schlauerweise hab ich mir was für den Notfall übrig gelassen, und der ist nun eingetreten.
Des weiteren wird aber auch ein neuer Eintrag in meinem Blog folgen. Falls ihr euch nicht mehr erinnern solltet, geht gefälligst zurück und lest den ersten Eintrag, ihr Lümmel.
So weit so gut.
Heute möchte ich eigentlich genau da weitermachen, wo ich beim letzten Mal aufgehört hatte. Macht ja auch Sinn irgendwie. Die Geschichte auf die ich mich an diesem sengend heißen Tag konzentrieren möchte, war meine erste nähere Erfahrung mit der thailändischen Gastfreundschaft, eine simple, aber herzerweichende Geschichte. Noch geht es nicht um geklaute Roller, meinen Auftritt im TV, das Einbrechen in eine Bar über Balkons, oder meine Teilnahme an einem Internationalen Redewettbewerb.
Nein, es geht ganz schlicht um meinen Geburtstag. Den ersten, den ich in Thailand verbracht habe, und er sollte für mich persönlich, wie das Datum schon erahnen lässt, etwas ganz besonderes sein.

Ich war also angekommen. Endlich.
Nachdem der Chef der Organisation mich vom Flughafen abgeholt hatte, machten wir uns auf den Weg in das Dorf, dass für die nächsten 12 Monate mein Zuhause sein sollte. Und genau das war es auch, mein neues Zuhause, und ein Dorf.
Es war natürlich schwierig, die neuen Eindrücke zu verarbeiten. Überall fuhren Mopeds, Katzen und Hunde lagen auf Restauranttischen, die Leute glotzten und die Sonne knallte. So ungefähr könnte man es zusammenfassen. Als erster Langzeitfreiwilliger (ist das ein Wort?) in der Organisation wusste ich jedoch, dass ich mich daran zu gewöhnen hatte.
Besonders in der ersten Zeit durch das Dorf zu laufen, war merkwürdig. Die Leute starrten, als wäre ich ein griechischer Gott. Ich glaube diese Erfahrung kann jeder Westler, der mal in Thailand gelebt hat bestätigen.
Und wisst ihr was? Ich fand es witzig, ich fühlte mich besonders, ich war special (Englisch für "spezial") - einer der Punkte, die mich im späteren Leben hier in Thailand noch am meisten nerven sollten.
Die erste Zeit verlief recht holprig, und ich hatte viel zu kämpfen, am meisten mit mir selbst. Nicht ahnend, was von einem Frewilligen so erwartet wird, hielt ich es für richtig bis in die Puppen zu schlafen, und tagsüber dann am Laptop zu kleben, um damit anzugeben, dass ich Freiwilligenarbeit mache. Das funktionierte auch ganz gut - für eine Woche oder so, bis mir zum ersten Mal mit dem Rausschmiss gedroht wurde. Ich hab es der Frau meines ex-Chefs zu verdanken, dass ich überhaupt die Gelegenheit hatte, mehr von Thailand zu sehen, als die Dorfstraße die vor unseren Toren verlief.

*zirp zirp*

Ich war naiv, zugegeben, aber ich war auch bereit, meine Attitüde zu ändern. Ich wollte ja nicht wie Jan enden (wer ihn kennt, weiß, was gemeint ist), also versuchte ich mich so nützlich wie möglich zu machen.
Ich fing an im Garten zu arbeiten, baute Zäune aus Bambus und machte Bambus aus Zäunen. Es war Oktober - Regenzeit - und so mussten auch Gräben gegraben werden, in denen das Wasser dann rüber zum Nachbarn abfließen konnte.



Ich arbeitete wirklich hart, zum ersten Mal in meinem Leben, und fühlte mich viel wohler. Und wie jeder rechtschaffene und hart arbeitende Mann, brauchte ich zum Feierabend Bier. Die kleine Dorfkneipe am Straßenrand bei der Kreuzung war mir schon zuvor aufgefallen, doch ich hatte bisher noch nicht ganz den Mut gehabt, dort einzukehren. Nach ein paar weiteren Tagen ließ sich der Durst jedoch nicht mehr ertragen, und so blieb mir nichts anderes übrig, als mich dorthin zu begeben. Tiki, unser treuer Thai Hund folgte mir.
(Nebenbei am Rande, ein paar Monate später wusste Tiki so gut bescheid, dass er jedes mal bei Anbruch der Dunkelheit alleine zur Bar rannte, und da auf mich wartete)

Tiki beim Verzehr einer Schlange in unserem Garten

Hier lernte ich auch meine ersten Fetzen Thai von den lokalen Einwohnern, die mich wie einen König empfingen. Die meisten wussten von der Organisation, aber kein Farang zuvor hatte sich jemals so weit rausgewagt, und dann auch noch allein!
Fröhlich redeten sie auf mich ein lachten, machten Witze, und ich saß da, grinsend, und schlürfte mein Bier. Einen Dreck hab ich verstanden, aber es machte trotzdem Spaß. Ich gestikulierte mit meinen Händen, und allgemein globale Wörter wie "Beer" und "Whiskey" wurden von allen verstanden. Mit meinem langen E.T.-Zeigefinger deutete ich auf Gegenstände, und lernte, wie man diese auf Thai ordnungsgemäß benannte. Ich will nicht lügen, aber ich glaube mich zu erinnern das Wort "Glas" noch vor "Dankeschön" gelernt zu haben.
Wir wurden Freunde, dass Dorf und ich. Die Kunde vom Farang, der sich in die Bar setzte um Thai zu lernen verbreitete sich sehr schnell, und immer mehr Leute kamen, und ich lernte sie alle kennen.





Die Tage wurden erträglicher, und die ganze Sache fing echt an mir Spaß zu machen. Ich arbeitete hart und trank noch härter. Obgleich das Bier damals noch günstig war im Vergleich zur Gegenwart, hielt ich es trotzdem für besser auf den guten alten Hong Thong umzusteigen, das Gebräu, was auch alle meine lokalen neuen Freunde tranken. Ein Shot vom guten Thai Whiskey für nur 10 Baht, also umgerechnet ....was?.... keine Ahnung, 25 Cent oder so. Alles war prima.

Dann rückte mein Geburtstag näher, der 20.10.2010 an dem ich 20 Jahre alt werden sollte. Was für ein Datum! Ich weiß noch, wie ich jahrelang in Deutschland hoch und heilig versprochen hatte, die größte Feier der Welt zu schmeißen, um dem Datum gerecht zu werden. Nun saß ich hier, am anderen Ende der Welt und war dadurch sämtlichen Versprechungen und Kosten aus dem Weg gegangen. Was für ein Schachzug!
Aber ich war zugegebenermaßen auch etwas traurig. Ich meine sicher, man hat seine copy/paste Glückwünsche lieblos an die FB Pinnwand geklatscht bekommen, und auch ein paar sehr freudige und nette Nachrichten in der privaten Mailbox, aber im allgemeinen war es ein eher einsamer Tag.
Also schön, ich will auch nicht zu sehr in Selbstmitleid verfallen, so schlimm war es auch nicht.

Ich ging wie üblich am Abend ins Kung Ten (der Name der Dorfbar, heißt übersetzt tanzender Shrimp, eine der vielen Delikatessen, die man sich hier in Thailand reinpfeiffen kann) und setzte mich an den gewohnten Platz bei den üblichen Stammkunden. Ich war ja jetzt einer von ihnen, und auch schon garnicht mehr so besonders.
Ich gönnte mir etwas zu trinken und versuchte weiter mein Thai zu verbessern. An dieser Stelle weiß ich nicht mehr genau wie es dazu kam, aber aus irgendeinem Grund fiel das Thema auf meinen Geburtstag. Vielleicht hatte ich die Hoffnung, Getränke spendiert zu bekommen und sprach es deswegen an, das würde zumindest Sinn machen, aber wer weiß das schon.
Auf jeden Fall wurden die 2-3 Leute auf einmal ruhig und murmelten etwas. Ich hab natürlich kein Wort verstanden. Fünf Minuten später verabschiedete sich einer meiner Freunde und ging. Zurück blieben nur ich, und ein weiterer Freund. Wir saßen in der Stille tranken, und schwiegen uns an. Das ging eine ganze Weile so. Frösche quakten irgendwo, in weiter Ferne hörte man Motoren.

Was dann geschah, werde ich niemals richtig in Worte fassen können. Ich schätze, ihr hättet dabei sein müssen um wirklich nachvollziehen zu können, was ich empfand.

Als mein übrig gebliebener Freund der Barfrau auf einmal zunickte, ging sie hinter den Tresen und knipste die Sicherung aus. Sämtliche Lichter erloschen und wir saßen im Dunkeln umgeben von den natürlichen Geräuschen der Nacht. Dann verschwand auch er um die Ecke, und ich schaute verwirrt wie ein Schwein ins Uhrwerk. Ich hatte mit nichts gerechnet, und es erschien mir doch sehr fragwürdig, eine Bar auf diese Art und Weise zu schließen. Dann hatte mein nicht allzu lange verschollener Freund seinen großen Auftritt. Kerzen wurden entzündet, und meine beiden Freunde zusammen mit der Barfrau kamen um die Ecke, einen Pappteller mit Keksen und Geburtstagskerzen in den Händen tragend, und sangen in die Stille der Nacht hinein:

Happy Biiirthday to youuu....... ihr kennt ja den Text.

Einfach alles an diesem Moment war magisch. Ich glaube nicht, dass meine Schreibkünste ausreichen, um es auch nur annähernd wahrheitsgemäß vermitteln zu können - aber ihr müsst mir einfach glauben. Oder auch nicht.
Ich war gerührt, als sie sangen und mir den Teller mit Keksen überreichten, ich war froh hier sein zu dürfen, an diesem Tag am anderen Ende der Welt. Ich glaube tatsächlich, dass dieser Tag, mein Geburtstag, am 20.10.2010, der Tag an dem ich 20 wurde, massiv dazu beigetragen hat, mich in dieses Land zu verlieben. Wir hatten nicht immer eine rosige Beziehung, das alte Siam und ich, aber das Leben ist ja allseits bekannt auch kein Märchen.
Das war eine der ersten von vielen Erfahrungen die ich machen durfte, Erfahrungen, die mich prägten und fortwährend mein Leben bestimmten. Und sind wir mal ganz ehrlich: hätte ich mir auch nur irgendetwas schöneres wünschen können?





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